Herr Der Diebe ist eine Geschichte über Ausreißer und Waisen, über Kinder in Venedig, die am liebsten schon erwachsen wären.
Die Handlung folgt dem Schicksal der Geschwister Bo und Prosper, die nach dem Tod ihrer alleinerziehenden Mutter nach Venedig ausreißen. Der Winter klopft schon an in der Stadt als sie dort ankommen, und so schließen sie sich einer Bande obdachloser Kinder an, die jede Nach in einem verlassenen Kino ausharren, und deren Schirmherr der mysteriöse Herr der Diebe ist - ein Junge, kaum älter als sie selbst, der sie mit Geld von seinen nächtlichen Raubzügen versorgt. Die Tante der beiden, Esther, hat das Sorgerecht für sie geerbt und einen Detektiv auf sie angesetzt, der die Kinder nach Hause bringen soll.
Durch die Bank weg liest das Buch sich romantisch und verträumt, wie die besten Kinderbücher unserer Zeit. Die Beobachtungen und sind ideenreich und fantasievoll auf die allerbeste Art. Besonders die Beschreibungen vom verwunschen Venedig haben mir gefallen, und die Momente der unschuldigen, und oft ungelenken, kindlich reflexiven Introspektive. Die Melancholie ist schließlich auch das Salz in dieser Geschichte, allen Szenen und dem Grundtonus beigemischt, so untrennbar mit der Geschichte verbunden wie Scipio und Barbarossa selbst:
"Die Steine in Venedig fühlten sich anders an, alles war anders. Anders als was? Anders als früher.
Prosper versuchte nicht daran zu denken. Obwohl er kein Heimweh hatte. Schon lange nicht mehr. Nicht mal nachts. Hier war jetzt sein Zuhause. Wie ein großes, sanftes Tier hatte die Stadt des Mondes Bo und ihn empfangen, hatte sie versteckt in ihren verschlungenen Gassen, sie verzaubert mit ihren fremdartigen Gerüchen und Geräuschen. Sogar Freunde hatte sie für sie bereitgehalten. Prosper wollte nie wieder fort. Nie wieder. Er hatte sich so daran gewöhnt, das Wasser schlürfen und schlecken zu hören an Holz und Stein."
Schließlich macht sich die Existenz dieser Geschichte als Kinderbuch aber nicht nur auf die gute Weise bemerkbar: gerade gegen Ende der Handlung häufen sich Momente, in denen unsere Charaktere sehr unrealistisch freundliche und harmlose Entscheidungen in Bezug auf ihre Gegenspieler treffen. So landet beispielsweise der Hauptantagonist der Kinder nicht nur metaphorisch, sondern ganz reell am Ende seiner Verbrechen mit am großen Esstisch der Protagonisten und wird als "kleiner Ganove" vertätschelt und für das Happy End mit in die Familie aufgenommen. Eines dieser Klischees eben, die es nur in Kinderbüchern gibt, und ohne die wir alle gut leben könnten.
Und zum Schluss dann. Scipio fährt mit dem Karussel, wird erwachsen, das Karussell zerbricht. Hat er bekommen was er wollte?
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